Seelsorge der Hoffnung in Krisenzeiten – Wenn die säkulare Psychotherapie an ihre Grenzen kommt

Prof. Dr. Bojan Godina

Unsere Welt befindet sich gerade in einem Umbruch und das betrifft fast alle Ebenen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, der globalen Politik und durch den Klimawandel sogar die Natur.[1] Dieser globale Wandlungsprozess, stellt auch die Psychotherapie und Beratung vor ganz neue Herausforderungen. Standen bisher seelische Störungen und Krankheiten wie z. B. klassische Angststörungen, affektive Störungen, Zwangsstörungen, Persönlichkeitsstörungen und Suchtstörungen im Mittelpunkt, beginnen zunehmend existentielle Ängste die Menschen zu plagen.

  1. Was sagen die Studien?

Ich möchte diese Entwicklung zunächst durch einige aktuelle Befragungsstudien aufzeigen. Bei den erwachsenen Bürgern in Deutschland stand Ende 2023 die Furcht vor Wohlstandsverlust im Mittelpunkt. Die Finanziellen Ängste werden gefolgt von politischen Ängsten wie z. B. Zuwanderung, Spaltung der Gesellschaft und natürlich dem Klimawandel.[2]

Besonders dramatische Entwicklungen verzeichnet man bei Teenagern und Jugendlichen.

Im Juni 2024 veröffentlichte die Bundeszentrale für politische Bildung eine Studie, die zeigte, dass die 14-17 jährigen in Deutschland besorgter sind als jemals zuvor.[3] Eine andere aktuelle Studie zeigt in ähnlicher Weise, dass die psychischen Belastungen, wie Stress, Erschöpfung, Selbstzweifel, Hilflosigkeit, auch bei den 14-29 jährigen in den letzten drei Jahren zugenommen haben. 8 % der Jugendlichen der Befragung geben an, Suizidgedanken zu haben.[4] Auch in internationalen Studien kann festgestellt werden, dass über 59 % der Jugendlichen „sehr“ oder „äußerst“ besorgt über den Klimawandel sind.[5]

Aber sind diese Ängste so massiv und gesundheitsschädigend, dass sie in den Kliniken, Therapie- und Seelsorgeeinrichtungen angekommen sind? Ja, inzwischen ist die Klimakrise auch in den Therapieeinrichtungen angekommen und zwar im globalen Kontext.[6] Führende Forscher zum Thema Klimaangst (der Yale-Universität) beschrieben 2022 in den USA 9 % der Menschen als depressiv oder hoffnungslos und 8 % der Amerikaner sind daran interessiert, in einer psychologischen Beratung über ihre Klimaängste sprechen zu können.[7]

In Deutschland sieht es nicht besser aus. Die Psychotherapeutenkammer NRW veröffentlichte 2022 eine Resolution, in der Folgendes zu lesen ist: „Aktuelle gesellschaftliche Krisen erfordern auch aus psychotherapeutischer Sicht dringenden Handlungsbedarf“[8], Psychotherapeuten sind inzwischen immer häufiger mit Ängsten zum Klimawandel und Kriegsgefahr konfrontiert, aber für diese Problematiken nicht ausreichend kompetent.“

  1. Säkularen Psychotherapeuten fehlt ein tiefgreifender Therapieansatz

Je nach Studie fühlen sich 26 % – 50 % der Psychotherapeuten für solche existentielle Angst-Problematiken nicht kompetent genug.[9] Selbstverständlich können Verhaltenstherapeuten durch spezifische Techniken auf negative Gedanken ihrer Patienten Einfluss nehmen und ihnen für deren Umgang mit Stimuli und systemischen Bezügen Interventionen anbieten, die Veränderungen initiieren. Aber die existentielle Bedrohung durch den Klimawandel, Krieg oder Armut sind real und psychotherapeutisch immanent nicht wirklich tiefgreifend und auf Dauer lösbar! Die Psychotherapeuten, die keine biblische Hoffnungsperspektive haben, sind objektiv gesehen selbst mit den gleichen existentiellen Krisen konfrontiert, wie Chmielewski es in seinem neuen Buch: „Globale Krisen in der Psychotherapie“ beschreibt:

 

„Wir Therapeuten können hier keine kühlen Beobachter im „Krähennest“, wie es der Soziologe Niklas Luhmann nennt, sein. Wir sind selbst Teil dieser Krisen, immer Mit-Leidtragende“.[10]

Die Amerikanische Psychiatrische Vereinigung (APA) definiert beispielsweise die Klimaangst als »chronische Angst vor dem Untergang der Umwelt«.“[11] In der Wissenschaft spricht man auch von einer „prätraumatischer Belastungsstörung“. Bei unausweichlich drohenden Gefahren wie Krieg oder inzwischen Klimawandel, bekommen Menschen schon im Voraus Symptome, aus der Angst vor dem was unausweichlich kommen wird. Dies sind keine verzerrten, unrealistischen oder gar eingebildeten Ängste, die aufgrund von falschen Gedanken oder Realitätsverzerrungen entstehen, sondern realistische Zukunftsszenarien. Dass sich das Klima bedrohlich ändert, merken inzwischen auch die Klimaleugner durch die extremeren Wetterphänomene in unserem Land. Die „chronische Angst vor dem Untergang der Welt“ wird nicht von Verschwörungstheoretikern, sondern den renommiertesten Klima- und Umweltforschern täglich medial durch aktuelle Forschungsberichte, Nachrichten und Dokumentationen gespeist, ohne dass ein positives Ende in Sicht gestellt wird!

Ähnlich düstere Zukunftsperspektiven mit existentiell belastenden Ängste entstehen bei vielen Menschen durch die Zunahme an Hass, Spaltung, Radikalismus, Aufrüstung, Krieg und Flüchtlingswellen im gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Bereich. Es handelt sich um reale Gefahren, Stimuli und negative Gedanken, die man nicht ignorieren oder auf diese klassische Weise therapieren kann.

  1. Gottes exklusive biblisch-therapeutische Lösung der Problematik

Das Evangelium von Jesus Christus bietet uns mindestens zwei spirituell-seelsorgerliche Ansätze, die als einzige die seelische Problematik nur durch den Einbezug des Glaubens (Spiritualität) effektiv ändern können. Gott bietet durch sein Wort neue Lernprozesse an, die einen echten Unterschied im Beratungs- und Therapieverlauf bewirken können.

Der erste Ansatz betrifft das Evangelium im finalen Sinn und entfaltet seine Wirkung aus der Zukunftshoffnung heraus. Unser Herr Jesus Christus zeigt uns in diesem Ansatz, dass am Ende, die Herrschaft Satans auf dieser Welt zerbrochen wird und Gott uns durch das Gnadengeschenk Christi uns in seine neue Welt und neue Natur bringen wird (Jes 65,17-55; Offb 21-22). Jesus ermutigt seine Nachfolger, in dieser Welt nicht bestürzt zu sein, weil für uns neue Wohnorte in einer perfekten Welt vorbereitet werden (Joh 14,1-3). Sogar der Tod verliert unter Gottes Herrschaft seine Macht, da Jesus den Schlüssel des Totenreiches in seiner Hand hält (Offb 1,18). Unser Leib wird bei der Auferstehung, bzw. Jesu Wiederkunft verwandelt werden und seinem Leib der Herrlichkeit gleich werden (1Kor 15, 35-53; 1Thess 4,13-18; Phil 3,20-21).

Der Aufbau einer tiefen inneren Vertrauensbeziehung zu Gott und seine im Evangelium verheißene Zukunftsaussichten, ändern alles. Schon heute in der Zeit der zunehmenden existentiell-bedrohlichen Krisen, können Menschen einen tiefen Frieden, Hoffnung und Freude im Glauben auf die herrliche Zukunft erleben. Es gibt viele Bibeltexte durch die uns Gott mit einer Art „göttlicher Logotherapie“ vom Ende her, durch den Wirkfaktor der herrlichen Zukunft stärken möchte, z. B.

„Wir erwarten aber nach seiner Verheißung einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt! (1Pet 3,15) sowie in Jak 5,8, Heb 12,1-2 und Kol 3,1.)

Der zweite spezielle Therapieansatz Jesu bezieht sich stärker auf die jetzigen konkreten Problemfelder und ordnet sie in einer Metaperspektive neu ein. Ausgehend vom Glauben (Spiritualität) gab uns Jesus prophetische kognitive Hilfestellungen, diese Krisen der Endzeit besser mental einordnen und resilient bewältigen zu können. Gottes Methoden erinnern mich etwas an evidenzbasierte Expositionsmethoden in der Angst- oder Traumatherapie. Im Unterschied zur Traumatherapie werden sie hier im Voraus in ihrer Schrecklichkeit benannt, aber mit einer Art „sicherem Ort“ oder „positiven Begleitperson“ verknüpft und dann Entspannungsprozesse unter dem Motto „fürchtet euch nicht…“ eingeleitet.

Schon im Alten Testament, im berühmtesten Psalm der Bibel, wird die kommende Krise mit einer Art „sicherem Ort“ und einer „zuverlässigen Begleitperson“ verknüpft:

„Auch wenn ich wandere im Tal des Todesschattens, fürchte ich kein Unheil, denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich“ (Ps 23,4).

Genau im Tal des Todesschattens, wechselt der Psalm von der 3. Person Singular zur 2. Person Singular „denn du bist bei mir“. Dieses göttlich „du“ ist im Hebräischen Grundtext die Mitte des Psalms. Gott möchte den verängstigten Menschen mitteilen, dass sie gerade in der existentiellen Krise ganz speziell die Nähe des guten Hirten und den sicheren Ort durch „seinen Stecken und Stab“ erleben können. Dieser zweite spirituelle Wirkmechanismus wird am Ende des Psalms mit dem ersten Wirkmechanismus, der Endperspektive ergänzt:

„… und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.“ (Ps 23,6).

Der kognitiv-emotionale Wirkmechanismus des hier angesprochenen Trostes durch Gottes Nähe und der herrlichen Endperspektive wird zusätzlich durch die musikalische Form des Lieds (Psalmgattung), das Entspannungseffekte generiert, verstärkt. In dem der Mensch beginnt, diese Psalmworte zu lesen, zu hören und sogar zu singen und Gott zu danken, wird er übernatürlich mit dem heiligen Geist erfüllt (Eph 5,18-19).

Jesus hat durch seine göttlich offenbarte Metaperspektive der Weltgeschichte in seinem Wort auch konkrete katastrophale Ereignisse, die uns menschlich gesehen Angst machen werden, im Voraus angekündigt und kognitiv umstrukturiert:

  • Kriege und Kriegsgeschrei. Jesus prophezeite vor 2000 Jahren, dass es Kriege und Kriegsgerüchte immer wieder geben wird. Aber er fügt hinzu, dass seine Jünger nicht erschrecken sollten, als würden die Kriege die Welt planlos zerstören (Mt 24,6). Ganz im Gegenteil, das Ende wird erst kommen, wenn die frohe Botschaft vom Reich Gottes allen Nationen verkündigt werden wird (Mt 24,14)! Gott hat seinen Nachfolgern somit Informationen gegeben, um sie seelisch gestärkt durch die Weltgeschichte zu navigieren. Es ist eine Art göttliche Psychoedukation, Emotionsregulation und kognitive Umstrukturierung, welche die katastrophalen Weltereignisse durch eine göttliche Metaperspektive neu ordnet den Ängsten seiner Nachfolger entgegenwirkt. Die negativen Stimuli, die Menschen erleben, werden durch ermutigende Informationen (Gedanken) neu bewertet. Jesus strukturiert die Gedanken zu den existentiellen Ängste um, in dem er sagt: Erschreckt euch nicht vor Kriegen, als wären diese das Ende der Welt. Ganz im Gegenteil, diese Ereignisse müssen sogar in einer von Satan regierten Welt geschehen (vgl. Mt 24,6, Eph 6,12)

 

  • Umweltzerstörung. Zu Beginn der Bibel wurde dem Menschen der Auftrag gegeben die Welt zu bewahren. Gott wird alle die, welche die Erde verderben eines Tages richten (Offb 11,18). Wahrscheinlich umfasst dieser Text auch die Natur. Die Natur ist Gottes Eigentum, er hat sie geschaffen. Die letzte explizite und globale Evangeliumsverkündigung der Bibel beschreibt die Hinwendung des Menschen zum Schöpfer und dessen Anbetung (Offb. 14,6-7). Auch diese Texte zeigen uns, dass es nicht immer so weitergehen wird. Gott wird die Zerstörer zur Rechenschaft zwingen und nicht nur die Natur erneuern, sondern diese auch perfekt und unvergänglich machen (Offb 21 -22). Dass Tiere, Pflanzen und die ganze Schöpfung dem Überlebenskampf und Tod unterworfen wurden, ist aus biblischer Sicht dem Sündenfall, also der ersten „Umweltzerstörung“ (im Sinne: Umfeld-Zerstörung) geschuldet. Die Zukunftsperspektive Gottes: „Siehe ich mache alles neu“ (Offb 21,5) bietet uns biblisch-therapeutischen Seelsorgern ganz andere Möglichkeiten mit den realistischen Klima- und Umweltzerstörungsängsten umzugehen.

Durch die göttliche Metaebene, werden unsere vom Untergang kognitiv gespeisten Ängste weniger und durch die Perspektive von etwas Neuem in Freude umgewandelt werden. Jesus fordert uns in zahlreichen Texten auf, unseren Ängsten in Bezug auf realen Katastrophen mit einer Art Gedankenstopp zu begegnen und mit positiven Gedanken zu ersetzten:

„Wenn aber diese Dinge anfangen zu geschehen, so blickt auf und hebt eure Häupter empor, weil eure Erlösung naht“ (Luk 21,28). Vgl. dazu auch: Mt 24,33, Röm 8,18.

Zusammenfassung der biblisch-therapeutischen Wirkmechanismen:

  1. Emotionsregulation durch Hoffnung und Trost aus der herrlichen biblischen Zukunftsperspektive
  2. Kognitive Umstrukturierung und Umdeutung der großen Umbrüche anhand der biblisch- prophetischen Metaebene, die uns die wahren Ursachen des Leides hinter den Kulissen aufzeigt
  3. Prophetische Exposition der negativen Zukunftsereignisse, die im Kontext des finalen Eingreifen Gottes ihren Schrecken verlieren
  4. Emotionales Trösten durch die Zusage der göttlicher Begleitung in der Krisenzeit und die Schaffung eines sicheren Ortes

Diese Wirkmechanismen sind in der ganzen Bibel in hunderten Texten und unterschiedlichen Lebenswelten zu entdecken und können in Krisenzeiten eine echte therapeutische Hilfe für Menschen mit Zukunftsängsten werden.

 

  1. Biblisch-Therapeutische-Seelsorge mit neuem evangelistischen Bewusstsein?

Als 1987 die DGBTS (Deutsche Gesellschaft für Biblisch-Therapeutische Seelsorge) gegründet wurde, hatte das Ehepaar Dieterich die Vision der großen seelischen Not und dem Seelsorgebedarf in christlichen Gemeinden und Kirchen gerecht zu werden, in dem sie biblisch orientierte Laien-Seelsorger ausbildeten. Tausende notleidende Christen haben auf diese Weise seither Hoffnung und Hilfe.

Niemand konnte damals ahnen, wo sich unsere säkulare Welt innerhalb von knapp 40 Jahre hin entwickeln würde. Der Wohlstand ist für viele Menschen am Schwinden, ein großer Umbruch ist im Gange und existentielle Ängste bei der Jugend und Erwachsenen greifen pandemisch um sich. Die moderne Psychotherapie kann bestenfalls nur die Symptome etwas lindern, hat aber keine angemessenen Ansätze den Menschen tiefgründig therapeutische Hilfestellungen anzubieten, da ihr die prophetische und göttliche Metaperspektive vollkommen fehlt.

Nun ist es an der Zeit zu verstehen, dass die Biblisch-Therapeutische Seelsorge (BTS) mit dem Konzept der Allgemeinen Beratung, Psychotherapie und Seelsorge (ABPS), das Michael Dieterich später entwickelte, möglicherweise einen noch größeren Auftrag in Zukunft von Gott bekommen wird. In einer Welt der zunehmenden existentiellen Krisen und Ängste kann nur noch die prophetische Metaebene Jesu Christi den Menschen wieder Trost, Hoffnung und Zukunftsperspektive geben.

[1] Vgl. z. B.  Leibnitz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung https://www.prif.org/die-welt-im-umbruch

[2] Repräsentative Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2023“ des Infocenters der R+V Versicherung.

[3] https://www.sinus-institut.de/media-center/presse/sinus-jugendstudie-2024.

[4] Trendstudie „Jugend in Deutschland“ https://simon-schnetzer.com/trendstudie-jugend-in-deutschland-2024/

[5] Hickman C, Marks E, Pihkala P, Clayton S, Lewandowski RE, Mayall EE, Wray B, Mellor C, van Susteren L. Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey. Lancet Planet Health. 2021 Dec;5(12):e863-e873.

[6] Heiman, N. Climate change in and out of the therapy room. Nat. Clim. Chang. 14, 412–413 (2024). https://doi.org/10.1038/s41558-024-01979-3

[7] https://sustainability.yale.edu/explainers/yale-experts-explain-climate-anxiety

[8] Chmielewski, Fabian. Globale Krisen in der Psychotherapie. Basel 2023, S. 9.

[9] Vgl. Trost, K., Ertl, V., König, J. et al. Climate change-related concerns in psychotherapy: therapists’ experiences and views on addressing this topic in therapy. BMC Psychol 12, 192 (2024); Chmielewski, Fabian. Globale Krisen in der Psychotherapie. Basel 2023, S. 16.

[10] Ebd. S. 15.P

[11] https://www.spektrum.de/news/umweltpsychologie-ich-wuensche-allen-menschen-klimaangst/2199508

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